JAMES, JIMI UND JANIS
Todessehnsucht, mein Junge,
Selbstmordgedanken, Abschiedsbriefe,
zehn doppelte Tequila
und das Gleiche gleich nochmal
und das Gefühl, daß totsein einfacher wäre
als warten, leben und weiterleben
und aufwachen,

na schön,
bei Föhn das Küchenmesser anstarren
und denken, jetzt! -

aber jetzt,
das ist doch wie immer drei Jahre zu spät
oder drei Jahre zu früh ...

James, Jimi und Janis,
niemand lebt, um kerngesund
zu sterben,

und jeder braucht das,
ein paar Niederlagen,
einen knockout,
ein paar Nächte ohne Sonne
und Freundinnen, die irgendwann
mit abgebrühten Pessimisten
druchbrennen

was du nie sein wirst,
nach zehn Tequilas nicht,
nach fünfzehn Runden nicht
und nicht in drei Jahren,
wenn das Gefühl, daß totsein einfacher wäre,
die Politiker beschäftigt
und Selbstmordgedanken die Industrie ankurbeln
und Freitod-Festivals stattfinden
und ganze Nationen Abschiedsbriefe abfassen
und deine Todessehnsucht ein Ladenhüter ist,
historisch geworden wie Armstrong
auf dem Mond.

Du wirst alle Schlagzeilen vom Untergang
der Welt überleben.

Du wirst das Küchenmesser anstarren,
bis es stumpf ist.

Du wirst auf Brücken stehen
und weitergehen, hinter einer Blonden her,
die ihre Hüften schaukelt im Takt
der Kirchenglocken.

Du wirst alt werden,
ein paar Schallplatten zurücklassen,
ein paar Sachbücher über die menschliche Seele,
für deren Lokalisierung noch ein Nobelpreis
aussteht.

Private Gefühle werden nur noch
in Science-Fiction-Romanen eine Rolle spielen,
asbestblau,
kugelsicher,
mit einem Kundendienst
für Einzelteile.

Das Beste wäre,
heiter den Fortschritt hassend,
eine Karriere als Idiot,
ein Rätsel an Ausdauer,
zäh bis in fremde Fingerspitzen
und unvollkommen
lächelnd.

Ob Gott ihr einen geschenkt hat, einen Mercedes Benz?
Ob Dean noch immer auf die Taylor wartet?
Und Jimi umgestiegen ist auf Honig?

Wen interessiert denn das,
werden deine Kinder sagen und
ein paar King-Kong-Pillen schlucken
und sich wohlfühlen wie vierdimensionale
Schildkröten,

Tiere, die selbst im Zoo
in Freiheit leben dürfen,
dank ihrer Anpassung.

Wolf Wondratschek
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rachel, 04. Sep 07, 17:54
dem vermittler fremder worte schoon wieder : muchas gracias.
allein das vermitteln ist gold wert.
diese art duell führe ich (manchmal) mit meinem teppichmesser, werden meine augen stumpf bricht die spitze.
ich versuche sie zu lesen, SIE hinter w.w., denke traurig an meine sterbende liebe und wünsche hier für sie die zukunft, die die sagt: "ahhh alles sollte mich formen für dich. jetzt verstehe ich."
in melancholie getaucht weiss man immer genau, dass es den anderen besser gehen wird.
stimmts?

peddi, 05. Sep 07, 00:08
Ob es den Anderen wirklich besser geht, ich bin mir da keinesfalls sicher, aber ich wünsche es Ihnen!
Gestern noch trunken von Küssen, tauche ich heute (be-)trunken mein Haupt in Melancholie, bin aber auch misstrauisch der Wahrhaftigkeit dieses Gefühls gegenüber, bete ich hier etwas nach, fertiggekauftes Lied Leid, schemenhafter Kummer, und daraus auch noch schamvoll Lustgewinn; doch, wirklich tiefe Traurigkeit und/oder/auch verletzte Eitelkeit.
Aber kennen Sie dieses aberwitzig irrige Gefühl, (im gestandenen Alter), vielleicht tatsächlich angekommen zu sein?!?
Ist immer noch alles nur Vorbereitung auf..., noch verstehe ich nicht! Vielleicht zu lang die Auszeit, das Schweigen, das die eigenen Worte meiden, suchen.
Mit Mitgefühl wächst Mut, dank auch Ihnen, und allen M.´s.
Und denn kommen Se mal rum, (auf ein Tänzchen), in Hamburg hat man Parkett, und braucht keine Teppichmesser.

rachel, 05. Sep 07, 14:53
aber natürlich kenne ich dieses gefühl! angeblich bin ich auch in diesem alter, in dem man schon stehen können sollte. geht schlecht be-trunken, aber man hat ja erfahrung en masse, besonders im vortäuschen von nüchternheit, oder?
hab jetzt auf meinen zwei seiten die einladung begutachtet und (hoffe vorsichtig genug) angenommen, hier zum dritten. um die vier zu erreichen schicke ich post, wenn erwünscht.
ja: o nein: o

ps: über die erwähnte eitelkeit zerbreche ich mir nun den kopf. ist sie eine oder DIE nadel, die die melancholie zerplatzen lassen könnte? pffffffffffft ballon weg - übrig laue luft?

peddi, 06. Sep 07, 00:52
Jetzt habe ich...
... gerade versehentlich eine ausführliche Antwort gelöscht, zu müde zur Rekapitulation, auf die Schnelle, Vortäuschen ist nicht mehr, einfach laufen lassen, (oh Gott, das klingt wie in die Hose pinkeln), funktioniert aber nicht, wenn das Gegenüber (wider Erwarten) in alten Mustern verharrt. Noch längst nicht übern Berg, aber allem Neuen aufgeschlossen, und ohne Porzellankiste, more than welcome:
ja X